Together through life

Und sie ziehen achtlos vorüber … – Reklame in Leipzig-Gohlis.

Foto: UvS

May you stay forever young … Wir alle werden älter, und auch Bob Dylan wird es –  man hört es auf seiner neuen CD Together through life:

Mr Policeman, can you help me find my gal
Last time I saw her was at the Magnolia Hotel
If you help me find her, you can be my pal
Mr Policeman, can You help me find my gal
(If You ever go to Houston)

Bob Dylan bittet einen Polizisten um Hilfe, sein Mädchen zu finden – The times they are really a’changin‘

Seit ziemlich genau drei Jahrzehnten – Slow train coming war 1979 meine erste Dylan-Platte – begleitet His Bobness mich durchs Leben. Mit Trost und Rat, Ermahnung und Ermutigung. Und nun also Together through life … Je öfter ich die CD höre, desto wehmütig-melancholischer wird mir – und desto mehr fühle ich mich in meine Wiener Zeit versetzt. Ich war damals, als junger Mensch, regelmäßig zu Gast in einem Heurigen jenseits der Donau, noch weit hinter der Endhaltestelle der 31, also schon fast in der Slowakei. In Stammersdorf. Oder war es in Strebersdorf? Egal, entscheidend sind die Musikanten, die dort aufspielten. Heinzi und Kurti hießen sie, der eine mit der Quetsche, der andere mit der Gitarre. Sie hatten alte Wiener Lieder in ihrem Repertoire und moderne Schlager – Das kleine Beisel in unserer Straße zum Beispiel, von Peter Alexander. Die beiden hätten einem Sketch des unvergesslichen Qualtinger entspringen können, oder einer Karikatur von Deix – kurzum Originale, wie sie nur in Wien zu finden sind.

How long can I stay
In this nowhere café ‚fore night turns into day
I wonder why I’m so frightened of dawn
All I have and all I know
Is this dream of you which keeps my living on
(This dream of you)

Heinzi und Kurti hatten den Blues – auch wenn sie nie eine Bluenote gespielt hatten, sie hatten den Blues, daran bestand für mich kein Zweifel. Deshalb gehörte auch ich bald zu ihrem treuen Stammpublikum, den Altersschnitt massiv senkend. Nachzureisen brauchte ich ihnen nicht; ihre Neverending Tour beschränkte sich auf dieses Heurigenlokal, dessen Name mir leider entfallen ist. Manchmal bekamen sie Verstärkung – vom weinseligen Publikum, das in den Gesang einstimmte, oder von anderen Musikanten, die ebenso schnörkellos und treu das Wiener Liedgut pflegten. Ohne Schnickschnack und verbaler Belästigung der Gäste, sich mit tiefem Ernst und Schmäh einzig und allein der Sache widmend.

Everything I touch seems to disappear
Everywhere I turn, you are always here
I’ll run this race until my earthly death
I’ll defend this place with my dying breath
(This dream of you)

Wenn ich Together through life höre – wie jetzt unterm Kirschbaum im Biergarten Mleczarnia –, bin ich mir sicher: Bob Dylan hat auf seiner Neverending Tour auch Rast in jenem Heurigen in Stammers- oder Strebersdorf gemacht und Heinzi und Kurti gehört. Damals waren sie etwa in dem Alter, in dem er heute ist. Und alle drei – Heinzi und Kurti vermutlich inzwischen Beyond the horizon – in dem Wissen: Life is hard. Und dennoch mit der Gewissheit:

People in the country, people on the land
Some of ‚em so sick, they can hardly stand
Everybody would move away, if they could
It’s hard to believe, but it’s all good
Yeaaaaa!
(It’s all good)

Mit freundlicher Unterstützung der Freunde von der besten aller Dylanologen-Seiten www.expectingrain.com nun noch zum Downloaden die Lyrics von Together through life: Lyrics Together through life

Es grüßt aus Krakau
UvS

PS: Ich bin ein bissel spät dran, weil ich unterwegs war. Außerdem gab’s die CD in Krakaus größtem Plattenladen nicht: Bob Dylan? Hä? Nowa płyta (neue CD)? Nie! (Nein!). Aber der smarte Verkäufer war noch jung, sehr jung …

Author

…, geboren 1964 in Müsen, kooperiert als freier Autor, Rechercheur und Projektmanager mit Organisationen u.a. in Deutschland, Polen, Israel, den USA und der Ukraine. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich sowohl mit der jüdischen Geschichte und Kultur als auch mit den familiären, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der NS-Zeit auf die Gegenwart. Uwe von Seltmann ist zudem Regisseur und Co-Produzent des preisgekrönten Dokumentarfilms „Boris Dorfman – A mentsh“. Zuletzt erschien 2021 „Wir sind da!“, das offizielle Buch zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (Homunculus, Erlangen).

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