… ist am 9. November, 70 Jahre nach der Reichspogromnacht, mit einem bewegenden Festakt wieder eingeweiht worden. Für mich als Gründungsvorsitzenden des Förderkreises Görlitzer Synagoge e.V. (Mai 2004) ist das ein Zeichen, dass sich bürgerschaftliches Engagement durchaus lohnt. Die Görlitzer Synagoge, die als einzige in Sachsen während der Reichspogromnacht nicht zerstört wurde, kann nun wieder als Kultur- und Begegnungszentrum genutzt werden – und hoffentlich auch bald von der kleinen Jüdischen Gemeinde als Gotteshaus. Dagegen sträubt sich noch die Stadt Görlitz, die Eigentümerin des Gebäudes ist – sie spricht konsequent von der „ehemaligen Synagoge“.

Das Verhalten der Stadt ist für mich ein Skandal, doch ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die verantwortlichen Herren zur Besinnung und zur Vernunft kommen werden. Immerhin hat Kulturbürgermeister Michael Wieler in seiner Rede während des Festakts den 230 Besuchern signalisiert, dass die Synagoge eine „geistige Dimension“ habe, die sich jedem Besitzdenken entziehe. Und so könne auch die Stadt Görlitz „keinen Repräsentationsanspruch“ geltend machen.

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Die beiden Fotos, auf denen mein Hinterkopf zu sehen sind, stammen von dpa. Weitere Bilder auf Welt-Online.

Bleibt noch zu erwähnen, dass der Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick (parteilos) in der Gedenkfeier der Stadt und der Kirchen zur Reichspogromnacht die Wiedereröffnung der Görlitzer Synagoge mit keinem Wort erwähnt hat.

Es grüßt
UvS

PS: Es gibt ein weiteres Beispiel für erfolgreiches bürgerschaftliches Engagement: Nach heftigen Diskussionen und zahlreichen Protesten hat der Stadtrat in Kreuztal am 6. November mit 26:12 Stimmen beschlossen, das nach dem verurteilten Kriegsverbrecher Friedrich Flick benannte Gymnasium in „Städtisches Gymnasium“ umzubenennen. Weitere Infos auf der Homepage der Initiative „Flick ist kein Vorbild.“

Author

…, geboren 1964 in Müsen, kooperiert als freier Autor, Rechercheur und Projektmanager mit Organisationen u.a. in Deutschland, Polen, Israel, den USA und der Ukraine. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich sowohl mit der jüdischen Geschichte und Kultur als auch mit den familiären, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der NS-Zeit auf die Gegenwart. Uwe von Seltmann ist zudem Regisseur und Co-Produzent des preisgekrönten Dokumentarfilms „Boris Dorfman – A mentsh“. Zuletzt erschien 2021 „Wir sind da!“, das offizielle Buch zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (Homunculus, Erlangen).

2 Comments

  1. Frank Grossmann Reply

    Hallo Herr UvS,

    bevor der Weihnachtsmann kommt habe ich noch ein wenig gesurft. Da las ich Ihre Beiträge zur görlitzer Synagoge und dem Herrn Flick. Ich verwalte im Auftrag, der Erben in den USA, das ehemalige Bekleidungswerk in der Salomonstrasse 30/31 in Görlitz. Die Firma Nahme/Weise war ein deutsch jüdisches Gemeinschaftsunternehmen. Hier befindet sich ein recht gut erhaltener Luftschutzbunker. Er ist „nur“ sehr verschüttet. Nach meinen Recherchen hat der Patriarch A.Nahme, dessen restliche Familie in die USA emigriert ist, dort Menschen versteckt und bei Nacht zum nahegelegenen Bahnhof gebracht. Wir wollen den Bunker als Zeichen des passiven Widerstandes mit Zeitdenkmalen dekorieren. Es soll zeigen das es verschiedene Formen gab Widerstand zu leisten. Wenn Sie als Vertreter der jüdischen Gemeinde die Anlage besichtigen möchten ist dies kein Problem.
    Frohe Weihnacht
    Frank Großmann

  2. Sehr geehrter Herr von Seltmann
    danke für diesen interessanten Artikel über die Görlitzer Synagoge, der mir ein bisschen erklärt hat, warum die Stadt Görlitz die Halle nur als Konzertsaal benutzen wird, irgendwie war es für mich auch ein bisschen seltsam. Ich wohne hier seit einem Monat und bin begeistert von der Geschichte des Ortes, wo natürlich ihre Vorfahren sehr grosse Rolle gespielt haben. Auf jedem Fall, man sagt, die Synagoge wird Ende dieses Jahres fertig sein, und ich träume daher einige Konzerte dort zu sehen/ produzieren, die natürlich mit der jüdischen Vergangenheit dieses herrlichen Gebäudes zu tun hätten. Weil auch wenn die Stadt Görlitz sich nicht für die geistliche Funktion des Gotteshauses sich entschlossen hat, wenigstens kann man in diesem Saal, Musik darbieten die mit der jüdischen Kultur zu tun hat. Zum Beispiel Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ (übrigens perfekt mit dem Jugendstil passend) oder Musik von zeitgenössischen Komponisten wie Uri Rom (La Nova Vita???) oder Aaron Jay Kernis. Ich hätte Kontakte…
    Wissen Sie ob die Gemeinde hier etwas für die Eröffnung vorhat?
    Ich wünsche Ihnen alles Gute und gratuliere für ihre vielseitige Arbeit.
    Mit freundlichen Grüssen
    E. Ioannidou
    p.S. übrigens mich hat auch eine andere bissl ähnliche Geschichte beeindruckt, als ich das Schloss Kaltenberg in Bayern besucht habe. Die unglaublich schöne und traurige Geschichte von Joseph Schülein.

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