Josef Burg an seinem Schreibtisch
Josef Burg (1912-2009) an seinem Schreibtisch

Josef Burg, 1912 in Wishnitz geboren, war einer der beeindruckendsten Menschen, denen ich begegnet bin. Unvergessen bleiben mir die Besuche in der Wohnung des letzten der jiddischen Dichter von Czernowitz. Mit Burgs Tod am 10. August 2009 ist endgültig das alte Czernowitz erloschen – das „Jerusalem am Pruth“ gibt es nicht mehr. Jetzt bleiben nur noch die Fassaden, die von der einstigen multikulturellen Lebendigkeit des „letzten Vorpostens der k.u.k. Monarchie“ künden. Die heutigen Bewohner, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Weiten der Sowjetunion in die entvölkerte Stadt gezogen sind, und deren Nachkommen wissen nichts von dem reichhaltigen Literaturleben, das Czernowitz zu einem Mythos hat werden lassen: Aharon Appelfeld, Rose Ausländer, Paul Celan, Itzig Manger, Selma Meerbaum-Eisinger, Gregor von Rezzori, Moses Rosenkranz, Elieser Steinbarg und all die anderen Poeten und Literaten, die aus der Bukowina eine Gegend gemacht haben, „in der Menschen und Bücher lebten“ (Paul Celan) – ehe sie von den Nationalsozialisten vertrieben oder ermordet wurden.

Zur Erinnerung an Josef Burg einige Fotos, die im Juli 2006 in seinem Arbeitszimmer aufgenommen wurden (alle Fotos Uwe von Seltmann):

Josef Burg am Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer
Josef Burg am Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer

Josef Burg
Josef Burg beim Signieren
Josef Burg mit seinem Freund Boris Dorfman aus Lemberg
Josef Burg mit seinem Freund Boris Dorfman aus Lemberg
„Eine Stunde zur Nacht ist noch nicht Nacht" – das Lebensmotto von Josef Burg.
„Eine Stunde zur Nacht ist noch nicht Nacht" – das Lebensmotto von Josef Burg.
Josef Burg - ein Leben in Bildern
Josef Burg - ein Leben in Bildern

Es hat mich gefreut, dass Josef Burg noch im Mai der Theodor-Kramer-Preis verliehen worden ist – Burg, dem in der Sowjetunion über Jahrzehnte hinweg das Schreiben erschwert oder gar unmöglich gemacht wurde, hatte längst eine Auszeichnung verdient.

Zu seinem 90. Geburtstag habe ich 2002 ein Porträt über Burg geschrieben: Eine Stunde zur Nacht ist noch nicht Nacht – Der jiddische Dichter Josef Burg verkörpert eine untergegangene Welt. „Ich will nicht der Letzte sein“, hatte er gesagt, „es kann nicht sein, dass Czernowitz untergeht.“

Auch wenn es abgedroschen und pathetisch klingt, aber es stimmt: Ohne Josef Burg ist die Welt ein Stück ärmer geworden. Dem kleinen Hans-Boldt-Verlag ist es zu verdanken, dass Josef Burg weiterlebt – in seinen einzigartigen Dichtungen und Miniaturen.

Es grüßt UvS

Author

…, geboren 1964 in Müsen, kooperiert als freier Autor, Rechercheur und Projektmanager mit Organisationen u.a. in Deutschland, Polen, Israel, den USA und der Ukraine. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich sowohl mit der jüdischen Geschichte und Kultur als auch mit den familiären, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der NS-Zeit auf die Gegenwart. Uwe von Seltmann ist zudem Regisseur und Co-Produzent des preisgekrönten Dokumentarfilms „Boris Dorfman – A mentsh“. Zuletzt erschien 2021 „Wir sind da!“, das offizielle Buch zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (Homunculus, Erlangen).

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