Ob es nun 6.000 Neonazis waren oder 8.000, die am 13. und 14. Februar nach Dresden gekommen waren – der Skandal ist, dass sie überhaupt da waren und ungehindert durch die Straßen marschieren konnten. Es war der größte Aufmarsch von Neonazis und Rechtsextremisten in Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Untergang des Dritten Reiches. Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik befanden sich so viele Neonazis an einem Ort.

Eindruck einer polnischen Beobachterin: „Die Polizei schützt die Nazis!“ Sie musste sich zudem von Dresdner Passanten belehren lassen, wer den Zweiten Weltkrieg begonnen hat: Es waren – die Polen!

Ebenso unglaublich, aber wahr ist auch folgende Szene: Am 14. Februar um 14.20 Uhr wurden am Külzring/Ecke Seestraße Demonstranten, die den Aufmarsch der Neonazis mit einer Israel-Fahne beobachteten, von der Polizei mitsamt Fahne entfernt. Ein Polizeisprecher, darauf angesprochen, sagte zur Begründung: „Die Israel-Fahne war eine Provokation für die Nazis.“

Polizeieinsatz in Dresden, 14.2.09 Das Corpus Delicti wird entfernt.

Unfassbar, dass sich die Neonazis und Rechtsextremisten stundenlang ungestört durch Dresden bewegen durften!

Neonazis Dresden, 14.02.09 Am Dresdner Hauptbahnhof …

Neonazis Dresden, 14.02.09 … waren offensichtlich auch Kameraden aus Bayern.

img_19691 Dresden – offen für Nazis aller Couleur!

Neonazis in Dresden, 14.2.09 Bekenntnistreu vom Scheitel bis zum Stiefelschaft.

Neonazis Dresden, 14.2.09 Die NPD-Prominenz aus Sachsen und sonstwo. Sachsens NPD-Chef Holger Apfel (2. von rechts in der ersten Reihe) bezeichnete in seiner Rede am Hauptbahnhof den Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 als „einzigartigen Holocaust am deutschen Volk“. Deutsche Opfer würden „zunehmend zu Tätern degradiert“. Und die Unterdrückung trage einen Namen: die USA und Israel, das „Terrorregime an der amerikanischen Ostküste“. Geschichtsverfälschung pur, aber sie fällt offensichtlich auf fruchtbaren Boden …

Gespenstisch-Gruseliges war am Freitagabend zu sehen und zu hören: Über tausend schwarz gekleidete und zum Teil vermummte Gestalten (gab es nicht mal ein Vermummungsverbot?) beim Fackelmarsch, pathetische Wagner-Musik in ohrenbetäubender Lautstärke. Dass bei diesem Marsch der Fotograf zwei Mal mit brennenden Fackeln angegriffen wurde, ohne dass die Polizei eingriff, ist schon nur noch eine Randnotiz.

Nazi-Aufmarsch in Dresden 13.02.09 Während der Presseausweis des Beobachters vom Polizeibeamten sogleich fotografiert wurde, konnten die Neonazis ohne Kontrolle am Dresdner Hauptbahnhof anreisen – zum Beispiel mit dem Regionalzug aus Leipzig um 17.41 Uhr.

Neonazi-Aufmarsch in Dresden am 13.02.09 Kurz vor dem Abmarsch des Fackelzugs – ungefähr 1200 Neonazis nehmen teil.

Fackelmarsch der Neonazis am 13.02.09 in Dresden Ku-Klux-Clan in schwarz.

Fackelzug der Neonazis am 13.02.09 in Dresden Als erster Banner ein Anti-„Geh Denken“-Spruchband.

Fackelzug der Neonazis am 13.02.09 in Dresden Kein Kommentar.

Fackelzug der Neonazis am 13.02.09 in Dresden

Fackelmarsch der Neonazis am 13.02.09 in Dresden

Fackelzug der Neonazis am 13. Februar 2009 in Dresden

Fackelzug der Neonazis in Dresden

Neonazis Dresden, 13.2.09 Nein, das ist …

Neonazis Dresden, 13.02.09 … kein schlechter Halloween-Scherz, sondern …

Neonazis Dresden, 13.02.09 … Realität in Dresden.

Fackelzug der Neonazis am 13. Februar 2009 in Dresden (Alle Fotos: UvS und GM)

Der Reporter des Stern hatte übrigens ebenfalls den Eindruck, dass die Polizei mit den Nazis recht wohlwollend verfahren ist – mit der Folge, dass die Nazis immer mehr Gefallen daran finden, nach Dresden zu kommen. Sein lesenswerter Artikel hier.

Gott sei Dank gab es am vergangenen Wochenende aber auch Erfreuliches in Dresden erleben: Das Bündnis „Geh Denken“ hat über 10.000 Leute mobilisiert, die mit Phantasie, Mut und Kreativität gegen die Nazis und für eine demokratische und offene Gesellschaft demonstrierten – allerdings ohne Unterstützung durch CDU und FDP, denen offensichtlich die Nazis lieber sind als aufrechte Demokraten. Es war ein buntes und fröhliches Fest auf dem Theaterplatz – mit viel Musik: Banda Communale, Sebastian Krumbiegel, Rolf Stahlhofen, Curse und Escola Popular.

Geh Denken, Dresden, 14.02.09 Auf dem Weg zum Theaterplatz.

Geh Denken, Dresden 14.02.09 Fröhliche Menschen auf der Bühne: die Schauspieler Wolfgang und Stephanie Stumph mit UvS.  „Es wäre schön, wenn auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich hier auf der Bühne stünde und sehen könnte, wie viele Leute hier sind“, sagte Vater Stumph.

Geh Denken, Dresden, 14.02.09 Nach der Jamsession die Fotosession: Escolar Popular, eine Samba-Band aus der evangelischen Kirche (ja, das gibt’s!), mit Curse.

Weitere Fotos hier, Berichte in verschiedenen Medien bei Geh Denken.

Ein aussagekräftiges Video bietet Spiegel-Online an: hier clicken.

Widerstand gegen die Nazis macht auch Spaß! 🙂 Bis nächstes Jahr also zum 13. Februar in Dresden
UvS

Author

…, geboren 1964 in Müsen, kooperiert als freier Autor, Rechercheur und Projektmanager mit Organisationen u.a. in Deutschland, Polen, Israel, den USA und der Ukraine. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich sowohl mit der jüdischen Geschichte und Kultur als auch mit den familiären, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der NS-Zeit auf die Gegenwart. Uwe von Seltmann ist zudem Regisseur und Co-Produzent des preisgekrönten Dokumentarfilms „Boris Dorfman – A mentsh“. Zuletzt erschien 2021 „Wir sind da!“, das offizielle Buch zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (Homunculus, Erlangen).

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