… ist schön. Die Menschen stehen auf dem Weg zu ihren Familien im Stau oder in überfüllten Zügen oder sie zwängen sich in die Shopping Malls, um in letzter Minute Berge von Geschenken zu erwerben. Das heißt: Außerhalb von Shopping Malls, Straßen und Zügen ist es wunderbar friedlich und leer. Wenn man nicht zu dem gerade erwähnten Personenkreis zählt und auch keine Frau ist, die tagelang in der Küche stehen muss, hat man Muse, sich auf das Menü zu Wigilia, am Heiligen Abend, zu freuen:
1. Zupa Grzybowa (Pilzsuppe)
2. Kapusta z grochem (Kohl mit weißen Bohnen)
3. Barszcz z uszkami i z grzybami (Rote-Beete-Suppe mit „Ohren“ (= Ravioli) und Pilzen)
4. Pierogi z kapustą smażoną (Piroggen mit gebratenem Weißkohl)
5. Karp po żydowsku (Karpfen auf jüdische Art)
6. Karp w bułce (Karpfen frittiert)
7. Apfelstrudel
8. Kompot ze suszonych śliwek (Kompot aus getrockneten Pflaumen)
Eine ausführliche Beschreibung eines Wigilia-Mahles, dass durchaus variabel gestaltet werden kann, auf der Website von Austriapol, dem „Magazin für interkulturellen Dialog“.
Wigilia ist – abgesehen von den Freitagen in traditionell-katholischen Familien – der einzige Tag in Polen, an dem Vegetarier auf ihre Kosten kommen und gerne gesehen sind: Zu Wigilia wird fleischlos gegessen. Für mich, einem bekennenden Nicht-Vegetarier und Nicht-Freund von weißen Bohnen und Karp po żydowsku, ist das Essen am Heiligen Abend daher eher von der Vorfreude auf das Eigentliche bestimmt:
Die Schlemmerei hat natürlich schwerwiegende Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. Vor allem für Ausländer wie mich – wir sind ja laut Statistik nur 0,13 Prozent -, die zudem noch in einer eher puritanisch–pietistisch-protestantischen Tradition aufgewachsen sind: mit Kartoffelsalat, heißer Fleischwurst und Hagebuttentee. Bedauerlicherweise hilft mir auch das polnische Allheilmittel, der Wodka, nicht über die Folgen der Völlerei hinweg, so dass ich ein bissel zu leiden habe. Aber: Das Leiden – da sind sich meine polnisch-katholischen, polnisch-jüdischen und polnisch-atheistischen Freunde ausnahmsweise nahezu ausnahmslos einig – scheint offensichtlich das Signum eines Protestanten zu sein … Doch das ist nun wahrlich ein anderes Thema!
Für alle, die bis hierhin durchgehalten haben, ein kleiner Teaser auf das, was irgendwann nach Weihnachten auf meiner Homepage ausführlicher erscheinen wird: Mein Freund Alex Jacobowitz, Meister des Marimbaphons, hat alte 78er Scheiben seiner Urgroßeltern für die Nachwelt gesichert – zum Beispiel Aaron Lebedeff mit dem Peretz Sandler Orchestra, New York (?) 1921: Shabbes nuchin Kigel. Ein wahrer Schatz!
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Es grüßt aus dem Café Kolory
UvS
3 Comments
Weihnachtsgrüße aus Leipzig. Ich bin im »Leiden« bei Dir. 😉
Danke – das ist wahre Freundschaft! Erhole mich jetzt mit einem kurzen Schläfchen vom Frühstück (ca. 10-13 Uhr mit Bergen von Schinken und Würsten), um Kraft fürs Mittagessen zu sammeln …
Ach, ihr leipziger Atheisten. Unter August dem Starken habt ihr noch mit uns Polen Weihnahtslieder gesungen. Unter der Preußisch uns später Honeckerschen Knute hat man euch im Osten die geistige Komponente leider weggeprügelt. Wollen wir hoffen, daß sich das in Zukunft ändert und ihr wieder Geschmack auf echte Weihnahten bekommt… 😉