Totentanz - Béla Faragó

Eine fantastische Ausstellung ist noch bis 30. September im Centrum Judaicum im Krakauer Stadtviertel Kazimierz zu sehen: Totentanz – Taniec Śmierci – Dance of Death – Danse macabre mit 61 Zeichnungen des Nürnberger Künstlers Béla Faragó, präsentiert von der Galerie Destillarta, Buchschwabacher Mühle.

Béla Farago, Totentanz

Béla Faragó schildert mit zeichnerischen Mitteln, wie nah wir Lebenden dem Tode sind. Da tanzen Gerippepaare einen ekstatischen Tanz, einem ungarischen Csárdás gleich. Einige musizieren dabei. Der Künstler reiht sich mit einem solchen Sujet in eine Tradition ein, die in der Malerei um 1400 begann und im Westen Europas Verbreitung gefunden hat. ….[Leppin, Volker: „Totentanz“]. Grafisch ist die Kunst Béla Faragós nur am Beginn ihres Entstehens. Bei ihm steht am Anfang die Zeichnung. Er zeichnet mit der Feder auf getöntem Papier. Dem folgt die farbliche Gestaltung des Blattes mit lavierter Tusche, Wasserfarbe, Deckweiß oder Kreide.

Der Totentanz ist aktuell! Es ist weniger – um es mit Rainer Maria Rilke zu sagen – „der große Tod, den jeder in sich hat“, sondern vielmehr der kollektive Tod in der vermeintlich zivilisierten Welt. Faragó beschäftigt sich damit: von der Niederschlagung des Boxeraufstands in China (1900) bis zum Ersten Weltkrieg; von der Hinrichtung von Delinquenten bis zum Sturmangriff; von der Erblindung von Soldaten bis zum Bombardement ganzer Städte. Es sind Mehrfigurenbilder voller Düsternis und Blut. Die Himmel brennen oder sind vergiftet. Die Blätter sind frei gezeichnet, ohne Hang zum Detail. Das Grauen schlägt uns entgegen: Berge von Toten im Konzentrationslager; brennende Dörfer in Polen; Hubschrauber in Vietnam; brennende Ölfelder in Kuwait; der technisch perfektionierte Tod als Flugzeugträger und schließlich der zynische „saubere Tod“ modernster Waffentechnik im Fadenkreuz.

Der Totentanz ist alles andere als ein heiteres Sujet, und wir leben in einer alles andere als heiteren Welt. Béla Faragós Totentanz geht an ihr nicht vorbei. Wer nur das Schöne um seiner selbst Willen sucht, wird am Totentanz kaum Freude haben. Man mag sich damit trösten, dass die Kunst zwar für alle da ist, aber nicht jede Art von Kunst für jeden. Bei aller künstlerischen Eigenständigkeit löst sich Béla Faragó nicht von der Kunstgeschichte los. Vielmehr fühlt er sich als Glied einer Kette, die vor ihm begann und nach ihm noch sein wird. Ebenso wenig will sich der Künstler aus dem Menschsein lösen, aus dem Mord und Todschlag offenbar nicht zu tilgen sind. Béla Faragó malt dagegen an; es ist seine Art zu kämpfen.
© Dr. Claus Pese

Belá Faragó, 1958 in Kiskunfélegyhaza/Ungarn geboren, ist einer der interessantesten und sympathischsten Menschen, denen ich in letzter Zeit begegnet bin.

Weitere Informationen: Europäische Totentanz-Vereinigung (ja, die gibt’s wirklich!)

Es grüßt – Gott sei Dank lebendig und munter 🙂
UvS


Author

…, geboren 1964 in Müsen, kooperiert als freier Autor, Rechercheur und Projektmanager mit Organisationen u.a. in Deutschland, Polen, Israel, den USA und der Ukraine. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich sowohl mit der jüdischen Geschichte und Kultur als auch mit den familiären, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der NS-Zeit auf die Gegenwart. Uwe von Seltmann ist zudem Regisseur und Co-Produzent des preisgekrönten Dokumentarfilms „Boris Dorfman – A mentsh“. Zuletzt erschien 2021 „Wir sind da!“, das offizielle Buch zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (Homunculus, Erlangen).

Write A Comment