Es war ein bitterer Augenblick, als ich vergangene Woche in Krakau feststellen musste, dass nichts mehr so war wie am Abend zuvor. Dort, wo ich mein Auto wähnte, war ein freier Parkplatz. Nun ja, so musste ich mich von meinem Audi A3, silber metallic, Baujahr 1997, verabschieden, ohne Abschied nehmen zu können.
Das letzte Foto (Groznjan, August 2007)
Es ist nicht so sehr der materielle Verlust, der schmerzt. Es ist mehr: Zum einen sind wir, wie mein neunjähriger Sohn treffend bemerkte, „gemeinsam durch dick und dünn gegangen“. 35.000 Kilometer im Jahr, die vielen nächtlichen Stunden bei Sturm und Regen, bei Schnee und Eis auf einsamen Autobahnen, das Motorgeräusch im Einklang mit Bob Dylan, Rory Gallagher, Van Morrison und meinem Gegröhle, das niemand außer meinem Audi je gehört hat.
Er war wahrlich kein zuverlässiger Wagen – den ADAC habe ich, obwohl ich seinen automobil-lobbyistischen Aktivismus keineswegs teile, mehrfach schätzen gelernt. Der Audi hatte seine Launen, aber letztendlich hat er mich immer dorthin gebracht, wo ich hin wollte – und sei es auf der Ladefläche eines ADAC-Lasters. Er war mein Wohnzimmer, und jeden Tag entdecke ich mehr, was mir fehlt: Schlafsack, Isomatte, Stadtpläne und Landkarten, die gesammelten Tankbelege für die Steuererklärungen von 2006 und 2007. Und vor allem mein rosaroter Panther, selbstgehäkelt, erworben auf einem Basar einer Freien Evangelischen Gemeinde, der mich mehr als drei Jahrzehnte durchs Leben begleitet hat. Ich war guten Mutes, auch mit meinem A3 – wie mit seinem Vorgänger, einem Audi 80 – die magische 300.000-Kilometer-Schallmauer zu durchbrechen. Doch es hat nicht sollen sein …
Noch mehr schmerzt, dass der Audi ausgerechnet in Krakau gestohlen wurde. Vier Mal hatten Diebe in den vergangenen Jahren versucht, meine beiden Audis zu klauen, doch sie hatten sich jedesmal so tölpelhaft angestellt, dass es ihnen nicht gelungen war. Nun ist es ihnen geglückt, und ich stehe da wie ein Depp: Jahrelang habe ich gegen das Klischee „Kaum in Polen, schon gestohlen“ angekämpft – und nun das!
Leider hat auch die Krakauer Polizei wenig dazu beigetragen, ihr künftig Vertrauen zu schenken. Als der Polizist das kleine Schiebefenster zu seinem Büro öffnete, verbreitete sich ein Geruch, der mir sehr bekannt vorkam: aus meiner Zeit als Zivildienstleistender in einem Obdachlosenheim. Nur dass sich auf der Polizeidienststelle am Szerokaplatz gegen 11 Uhr vormittags keine Obdachlosen aufhielten, sondern nur mindestens ein alkoholisierter Hüter von Recht und Gerechtigkeit. Auch sein Kollege, obwohl nicht alkoholisiert, fiel nicht durch übermäßiges Engagement auf. Auf dem Revier half uns dann doch noch ein glücklicher Umstand: Das plötzliche Auftauchen eines Vertreters einer Bürgerinitative, die Missstände im Krakauer Polizeiwesen aufdecken will, verkürzte die angekündigte Wartezeit von zwei bis vier Stunden erheblich.
Eins ist klar: Sollte die Partei der Kaczynski-Brüder bei den Neuwahlen wieder in die Regierung kommen, bleibt für sie in ihrem – an sich löblichen – Vorhaben, für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen, viel zu tun. Der Gerechtigkeit halber soll an dieser Stelle aber auch die große Anteilnahme unserer Krakauer Freunde und Bekannten erwähnt werden – sogar Schauspieler einer Polizei-Dokufiction wollen ihre guten Kontakte bis in höchste Polizeikreise nutzen, damit nach dem Wagen gesucht wird. Doch Hoffnung wollte mir niemand machen: Der Audi, so hieß es, sei vermutlich in Windeseile in tausend Einzelteile zerlegt worden, die nun auf dem Ersatzteil-Markt erhältlich sind.
Beste Grüße aus dem (hoffentlich) diebstahlsicheren Café Telegraph
UvS