Mügeln, Mittweida, Magdeburg – nach den ausländerfeindlichen Übergriffen in den vergangenen Wochen kann nun niemand mehr abwiegeln und beschwichtigen. Ja, es macht sich jeder mitschuldig, der noch immer meint, es sei doch alles nicht so schlimm. Es ist fakt: Ausländerfeindliche Übergriffe gehören inzwischen zur Tagesordnung – und das in einer Region, in der so wenige Ausländer leben, dass man fast jeden von ihnen mit Handschlag begrüßen kann. Es ist eine traurige Wahrheit, dass die meisten dieser Untaten in den östlichen Bundesländern verübt werden. Wer das weiterhin leugnet, muss sich vorwerfen lassen, sein rechtes Auge bewusst vor den Tatsachen zu schließen.

Auch wenn die mutmaßlichen oder verurteilten Täter nicht in jedem Fall einer rechtsextremistischen Organisation angehören oder Mitglied der NPD sind – die Saat der Rechtsextremisten ist aufgegangen. Offensichtlich finden sie inzwischen so viel Zustimmung in der Bevölkerung, dass – wie in Magdeburg, Mittweida und Mügeln – schaulustige Gaffer dem unseligen Treiben interessiert zuschauen. Sie haben auch von ihren Balkonen zugesehen, wie vier Neo-Nazis in Mittweida einem 17-jährigen Mädchen ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt haben, das einem Aussiedlerkind zu Hilfe eilen wollte. Oder ist inzwischen die Angst so groß, dass sich niemand mehr traut einzugreifen? Es muss niemand den Helden spielen – heutzutage hat fast jeder ein mobiles Telefon in der Tasche, um die Polizei zu rufen.

Es wäre wünschenswert, wenn die Kirchen mit dem gleichen Engagement, mit dem sie das Verbot der sonntäglichen Ladenöffnungen fordern, auch ein Verbot der NPD anstreben. Warum? Im niedersächsischen Süpplingen sitzt ein Mann im Kirchenvorstand, der zugleich Kommunalpolitiker der NPD ist. Er weigert sich, sein kirchliches Amt niederzulegen, weil die NPD „eine zugelassene und demokratische Partei“ sei.

Die NPD ist keine demokratische Partei. Die NPD war, ist und bleibt rassistisch, antisemitisch, fremdenfeindlich, antichristlich und antidemokratisch. Sie gehört verboten. Wann zeigen die Kirchen endlich Flagge?

Kommentar für die evangelische Wochenzeitung DER SONNTAG

Author

…, geboren 1964 in Müsen, kooperiert als freier Autor, Rechercheur und Projektmanager mit Organisationen u.a. in Deutschland, Polen, Israel, den USA und der Ukraine. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich sowohl mit der jüdischen Geschichte und Kultur als auch mit den familiären, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der NS-Zeit auf die Gegenwart. Uwe von Seltmann ist zudem Regisseur und Co-Produzent des preisgekrönten Dokumentarfilms „Boris Dorfman – A mentsh“. Zuletzt erschien 2021 „Wir sind da!“, das offizielle Buch zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (Homunculus, Erlangen).

Write A Comment