Die Vergangenheit bricht meistens dann in die Gegenwart hinein, wenn man nicht damit rechnet. So wie an jenem Abend im Juli des Jahres 2006 in Krakau, als sich der deutsche Journalist Uwe von Seltmann und die polnische Künstlerin Gabriela Maciejowska begegnen. Die beiden verlieben sich ineinander, aber sie müssen schon bald erkennen, dass die Vergangenheit nicht vergangen ist, sondern sie auf fatale Weise miteinander verbindet: Uwes Großvater Lothar von Seltmann war während des Zweiten Weltkriegs SS-Mann in Krakau, Gabrielas Großvater Michał Pazdanowski von den Nationalsozialisten in Auschwitz ermordet worden.
Drei Jahre nach der Veröffentlichung seines Buches „Schweigen die Täter, reden die Enkel“ (Fischer TB, 2. Aufl. 2011), in dem er die Geschichte der Recherche nach seinem Großvater erzählt hat, begibt sich Uwe von Seltmann erneut auf Spurensuche: Er will nun das Leben und Sterben Michał Pazdanowskis nachzeichnen. Gabriela, inzwischen seine Frau, sträubt sich zunächst, weil sie  sich fürchtet, die Büchse der Pandora zu öffnen und alte Wunden aufzureißen. Doch schließlich begeben sie sich gemeinsam auf den Weg. Die Suche nach Antworten führt sie durch halb Europa: in die ukrainische Huzulei und ins französische Baskenland, nach Wien und Lublin, nach Majdanek und Auschwitz. Überall treffen sie auf Menschen, die ihr lebenslanges Schweigen brechen und schier unglaubliche Geschichten erzählen, sie entdecken bewegende Zeugnisse von tiefer Freundschaft. Ihre Reise in entlegene Gegenden und verdrängte Vergangenheiten wird für sie mehr und mehr zu einer Reise zu sich selbst. Sie erkennen, dass sie nicht die einzigen sind, die lernen müssen, mit den Geistern der Vergangenheit umzugehen. Und dass nur, wer die Vergangenheit kennt, auch die Zukunft gestalten kann – so wie es der Dichter Herrmann Hesse gesagt hat: „Es kehrt alles wieder, was nicht bis zu Ende gelitten und gelöst ist“.


Michał Pazdanowski

Todleben – a book as a road movie: a trip to remote areas and displaced times

The past often breaks into the present, when one does not expect. Just like that night in July of 2006 in Cracow, as the German journalist Uwe von Seltmann meets Polish artist Gabriela Maciejowska. The two fall in love, but they must soon realize that the past is not past, but connecting them in a fatal way: Uwe’s grandfather Lothar von Seltmann was during the Second World War an SS-man in Cracow, Gabriela’s grandfather Michał Pazdanowski was murdered by the Nazis in Auschwitz.

Three years after the publication of his book Schweigen die Täter, reden die Enkel  – If the perpetrators will not speak, their grandchildren will – (Fischer TB, 2nd edition 2011), in which he tells the story of the research about his grandfather, the author embarks again on the search for the clues. He wants to trace the life and death of Michał Pazdanowski. Gabriela, now his wife, refuses at first, because she is afraid to open Pandora’s box and old wounds. But eventually they start searching together. The search for answers leads them through half of Europe: in the Ukrainian Huzulei and the French Basque country, to Vienna and Lublin, to Majdanek and Auschwitz. Everywhere they meet people who break their lifelong silence and tell incredible stories, they discover deeply moving testimonies of friendship. Their travel to remote areas and repressed pasts is for them more and more a journey into themselves: They realize that they are not the only ones who need to learn to deal with the ghosts of the past. And that only those who know the past can shape the future – as the poet Hermann Hesse said: „Anything that has not been suffered and solved to the end will return.

Uwe von Seltmann: Todleben – Eine deutsch-polnische Suche nach der Vergangenheit, Herbig (München), February 2012, 320 pages

Author

…, geboren 1964 in Müsen, kooperiert als freier Autor, Rechercheur und Projektmanager mit Organisationen u.a. in Deutschland, Polen, Israel, den USA und der Ukraine. Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich sowohl mit der jüdischen Geschichte und Kultur als auch mit den familiären, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der NS-Zeit auf die Gegenwart. Uwe von Seltmann ist zudem Regisseur und Co-Produzent des preisgekrönten Dokumentarfilms „Boris Dorfman – A mentsh“. Zuletzt erschien 2021 „Wir sind da!“, das offizielle Buch zum Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (Homunculus, Erlangen).

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